Lord Elmure Hangost konnte es kaum erwarten, endlich irgendwo einzukehren. Normalerweise machten ihm lange Ritte nichts aus, aber während den letzten zwei Tagen hatten er und seine Begleiter ein strammes Tempo zu Pferd vorgelegt.
Der ständige, plötzlich einsetzende Regen hat die Reise auch nicht unbedingt angenehmer gemacht. Aber dieses sprunghaft Wetter war typisch für den Herbst im Süden von Toradan. Und südlicher als das Ziel seiner Reise ging es fast nicht mehr. Tindale, ein kleines Dorf von ca. 200 Seelen im Grenzland von Stinnenland. Wieso bei den Göttern musste es ihn hierher verschlagen? Offiziell soll er seinen Vater, den Herzog von Stinnenland vertreten. Nachdem Elmure den ganzen Sommer die Grenze zu den Ländern der Barbarenstämme bereist, Fürsten besucht und Grenztürme inspiziert hatte, hätte er sich gerne ein paar Wochen Ruhe und Muße gegönnt. Sein Vater hatte scheinbar andere Pläne für seinen erstgeborenen Sohn. "Es wird Zeit, dass du dich mehr und mehr mit den administrativen Aufgaben eines Herzogs befasst. Dein Mut und Geschickt im Kampf und dein taktisches Verständnis hast du zur Genüge unter Beweis gestellt. So hast du dir den Respekt und die Loyalität unserer Ritter verdient. Nun musst du lernen, das gemeine Volk zu führen. Und das beginnt damit, sich in den Dörfern unserer Lande sehen zu lassen und unser Haus zu repräsentieren. Höre Ihnen zu, kümmere dich um ihre Belange, schütze sie vor Gefahren und spreche wenn nötig Recht. So, wie es seit der Gründung Toradans die heilige Aufgabe unseres Standes ist." Mit diesen Worten hat sein Vater ihn auf Burg Aardheim, dem jahrhundertealten Sitz des Hauses Hangost verabschiedet. Elmure solle ihn bei einem Fest in diesem Tindale vertreten und einen neuen Fürsten für die Region ernennen. Der Kandidat, ein junger, fahrenden Ritter namens Lord Tristan Aldo, sei schon seit Wochen Vorort und bereite die Ankunft des Herzogs vor. Für die Dorfbewohner ist das sicher ein besonderer Anlass, für Lord Elmure eher ein weiteres langweiliges Schaulaufen im Dienste seines Hauses. Was soll´s, vielleicht würde er ja doch ein wenig Ruhe und Erholung finden. Was kann schon schiefgehen? Glücklicherweise hat ihn seine Schwester Stara auf der Reise begleitet. Seine 'kleine Schwester' ist in den letzten Jahren zu einer schönen und stolzen Frau herangewachsen. Sie war schon immer von den Göttern gesegnet. Deshalb hat sie auch vor fünf Jahren Burg Aardheim verlassen und sich dem Orden der heiligen Schwestern angeschlossen. Während Elmure sich im Kampf gegen Barbaren und Bestien bewährt hat, hat sich Stara Hangost ganz dem Dienst der Götter verschrieben. Seitdem sie vor Jahren zum Sommerkloster abgereist ist, haben die beiden Geschwister sich nicht mehr gesehen. So gesehen, hatte Elmure vielleicht doch Glück: ein paar ruhige Tage auf einem Dorffest verbringen, das Haus Hangost vertreten und sich endlose Gespräche mit seiner Schwester führen, wie in Jugendtagen. So schlimm wird es wohl nicht werden.
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